Manufaktur pur: In einem ehemaligen Vorarlberger Gasthaus
entstehen Schicht für Schicht individuelle Skier aus Holz.
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Jeden Freitagabend gab’s Pizza. Und Ideen. Damals, in einem kleinen Vorarlberger Lokal irgendwo zwischen Alltag und Aufbruch, trafen sich zwei Brüder und spielten mit einer fixen Idee: Skier selbst zu bauen. Nicht irgendwelche, sondern die Skier. Aus Holz, ganz individuell, mit individuellem Zuschnitt, perfekter Funktion und persönlicher Note. Die Idee wuchs, bis sich irgendwann das Konzept einer Dienstleistung abzeichnete.
Einige Jahre und viele Meter Holz später stehe ich bei Marcel und Patrick Eberle in der Werkstatt. Man merkt, dass hier nicht einfach produziert wird, sondern gefühlt, gefräst, geplant und geschaffen. Die Skimanufaktur liegt in einem verträumten Bergdorf in Vorarlberg, 15 Kilometer östlich von Bregenz. Zwischen altem Gebälk, CNC-Fräse und Kaffeetasse entstehen hier Skier, die mehr sind als Sportgeräte.
Vom Gasthaus zur Werkstatt. Wir haben damals unsere Großeltern gefragt, ob wir ihr altes Wirtshaus umbauen dürfen“, erzählt Marcel, während er über die Kanten eines Skirohlings streicht. „Die waren gleich einverstanden.“ Also wurde aus der Gaststube eine Werkstatt, aus der Idee das „BROject Skimanufaktur“. Marcel und der zwei Jahre ältere Patrick sind nicht nur leidenschaftliche Skifahrer, sondern auch leidenschaftliche Handwerker. Der eine obendrein mit gestalterischem Können, der andere mit besonderem technischen Feinsinn. Gemeinsam haben sie einen Produktionsprozess entwickelt, der traditionelle und moderne Verfahren vereint.
Zuerst bereiten die beiden alle Einzelteile in der richtigen Form vor, um dann im nächsten Schritt die Komponenten miteinander zu verbinden, die im fertigen Ski eine Schicht bilden. „An den Belag kleben wir beispielsweise direkt die Kanten dran, und der Holzkern bekommt auch gleich seine Kunststoff-Umrandung“, erklärt Patrick. Um den Holzkern in alle Richtungen einheitlich zu versteifen und zugleich dünner zu halten, wird er mit Titanaluminium verstärkt. „Ein Skier muss sich in der Kurve durchbiegen, danach aber wieder seine Ursprungsposition zurückgehen – das kann Holz von allen Materialien am besten“, weiß der 47-Jährige. Einheitliche Jahresringe sowie die richtige Wahl und Lagerung des Holzes seien die Schlüsselparameter.
Vom Kern zum Kurvenspaß. Um den Holzkern vor Feuchtigkeit zu schützen, wird er ringsum mit einem ABS-Kunststoff abgeschlossen, nach oben und unten mit Karbon. Damit lässt sich zudem die Torsionssteifigkeit, der Flex oder beides erhöhen. Alle Schichten werden als nächstes zu einem Skirohling verklebt. Der eigentliche Ski wird dann aus dem Rohling grob ausgesägt und schleifend in Form gebracht. Zuletzt montieren Patrick und Marcel die Bindung und machen den Ski ringsum fahrtauglich.
Und die bevorzugten Holzarten? „Für Pistenski verwenden wir hauptsächlich Eschenkerne – oder Pappel als leichtere und weichere Alternative“, erklärt Marcel. Für leichte Tourenski setzen die beiden auf Paulownia – ein asiatisches, in Europa auf Plantagen gezüchtetes Holz. Es ist sehr leicht, aber überraschend robust. Für Genussskifahrer und abfahrtsorientierte All-Mountain-Ski verwenden die beiden Pappel, bei Freeride-Skiern entscheiden sie von Fall zu Fall. „Die Holzart beeinflusst das Fahrverhalten enorm. Härteres Holz lässt sich stabiler fahren, ist aber auch resistenter gegen Auftrieb im Tiefschnee“, ergänzt Marcel.
Wärme, Wasser, Kälte. Was kaum verwundern dürfte: Skier aus Holz zu fertigen, hat seine ganz eigenen Herausforderungen. Oberhalb und unterhalb des Kerns liegen Materialien mit ganz unterschiedlichen Ausdehnungskoeffizienten. „Ein Ski wird beim Wachsen auf rund 60 Grad erhitzt – und tags darauf vielleicht bei minus 25 Grad auf dem Gletscher gefahren“, erklärt Marcel.
„Dazu kommen das ständige Durchbiegen und das Wasser. So was geht nur mit sorgfältig verarbeiteten Komponenten.“ Ein Aspekt, der selbst erfahrene Skifahrer überrascht: In der Skimanufaktur wird der Holzkern an das Körpergewicht des künftigen Besitzers angepasst. „Vermutlich sind wir die Einzigen, die das machen“, sagt Patrick. „Normalerweise kommt die Frage nach dem Gewicht erst beim Einstellen der Bindung. Bei uns fließt das schon in den Aufbau ein.“ Das Ergebnis: Ein Ski, der sich exakt so verhält, wie er soll – ob beim entspannten Carving oder beim kernigen Tiefschnee-Einsatz




Wenn Furnier Geschichten erzählt. Obwohl bei Marcel und Patrick eine Menge Handarbeit im Spiel ist, sind einige Werkzeuge für sie unverzichtbar. Das wichtigste bei der Komponentenvorbereitung ist die CNC-Portalfräse, beim Umsetzen der Designs ist es der Lasercutter. In den gefragten Skibau-Workshops von Marcel und Patrick kommen vor allem Stichsäge und Akku-Bohrschrauber zum Einsatz. In diesen Workshops entstehen derzeit auch die meisten der kunstvollen Skier. Hier treffen sich ambitionierte Skifahrer, die sich gerne handwerklich betätigen – so beschreibt Marcel den Teilnehmerkreis. Fünf Abende oder wahlweise ein intensives Wochenende lang wird in den Workshops gefräst, geleimt, gestaltet und verpresst. Vorkenntnisse? Unnötig. „Bei uns bekommt jeder eine intensive Vorabberatung, alles andere passiert direkt im Workshop“, berichtet Patrick.
Jeder Ski entsteht hier nach einem individuellen Konzept – vom Fahrverhalten bis zum Design. Und das ist so individuell wie der spätere Besitzer. Vom in Furnier eingelegten Widderstein über eine Schlange und ein Steinkohlebergwerk bis zum eingravierten Gitarristen sind der Vorstellungskraft kaum Grenzen gesetzt. Das Design entwirft Marcel als Grafiker schon vor dem Workshop in digitaler Form nach den Kundenideen. Umgesetzt wird es meist mit Holzfurnieren, aber auch mit eingefärbtem Epoxidharz.
In den Designs spiegeln sich meist persönliche Leidenschaften oder Erinnerungen wider – und manchmal skurrile Einfälle: „Ein Teilnehmer setzte aufs Ski-Ende den Schriftzug „Bitte nicht am Ski lecken!“, erzählt Patrick schmunzelnd. „Ein anderer wollte ein Loch im Ski haben, als Flaschenöffner – haben wir gemacht.“ Wer möchte, kann seine Wunsch-Bretter – oder sein Snowboard – auch ganz ohne Workshop in Auftrag geben und fertigen lassen Für die meisten Kunden gilt aber: Die eigene Handarbeit ist der wichtigste Teil der Entstehungsgeschichte.


Nachhaltigkeit mit Augenmaß. Wie die Skimanufaktur mit dem Thema Nachhaltigkeit umgeht, frage ich. „Das ist natürlich ein wichtiges und zugleich ein schwieriges Thema“, sagt Marcel. Die beiden hätten da schon einiges ausprobiert. „Wir haben für unsere Skikerne Bäume aus der Region gekauft, die hatten maximal 20 Kilometer Anfahrt – eigentlich ideal“, erzählt der 45-Jährige. In der Praxis habe sich aber gezeigt, dass nur ein Bruchteil des Stamms wirklich geeignet war. Unruhige Maserungen und Aststellen machten Teile unbrauchbar. „Auf dem Papier klang alles richtig nachhaltig, aber am Ende war es für uns keine gute Lösung“, ergänzt Patrick.
Heute versuchen die beiden, den längere Anfahrtswege mit durchdachtem Mengenmanagement zu kompensieren. Die Ökologisierung der Skiherstellung sei eine wichtige Aufgabe für die Zukunft – auch unter dem Aspekt der Entsorgung. Und dabei wird Holz eine Hauptrolle spielen, da ist Marcel sich sicher.
Als ich mich zum Schluss noch einmal in der Werkstatt umsehe, spüre ich die besondere Mischung aus Technik, Leidenschaft und Holzstaub. Ein Ort, an dem Präzision auf Fantasie trifft und Performance auf Persönlichkeit. Die Brüder Eberle zeigen, dass der beste und individuellste Ski kein Massenprodukt ist, sondern Maßarbeit. Mit Charakter, mit Können, mit Spaß. Und am Ende vielleicht auch mit einem Flaschenöffner.