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Zwischen Defence und Dach.

Footballprofi und Zimmermann: Nick Wenzelburger ist in beiden Welten
ganz oben. Und steht dabei mit beiden Füßen fest auf dem Boden.

Manchmal sagt schon der erste Schritt alles. Der erste Schritt aufs Gerüst, der erste Schritt aufs Spielfeld. Für Nick Wenzelburger fühlt sich beides vertraut an – und beides gehört zu seinem Leben. An diesem Vormittag führt er uns über eine Baustelle bei Stuttgart. Es ist windig, der Blick reicht über die Dächer der umliegenden Einfamilienhäuser. Der Kran hebt eine Gaube über die Straße, Zimmerer rufen sich Maße zu. Der 25-Jährige steht am Rand der Dachfläche, Helm auf, Sicherheitsschuhe fest geschnürt – im Moment nicht zum Arbeiten, sondern zum Erzählen.

Nick ist Zimmermann bei der Frick Holzbau. Und gleichzeitig Safety bei Stuttgart Surge in der European League of Football. Safety, das ist der letzte Mann in der Verteidigung, der, der stoppt, wenn alle anderen vorbei sind. Zwei Jobs, zwei Welten, aber für Nick ist klar: „Die Überschneidungen sind größer, als man denkt. Als Zimmerer brauchst du Kraft, Ausdauer und Präzision – genau wie als Footballer. Du musst in beiden Jobs auch mal gröber zupacken. Und ohne Teamgeist läuft weder ein Spielzug noch eine Baustelle.“

Geboren 1999 in Stuttgart, begann seine Football-Karriere früh. 2011 nahm ihn ein Freund mit zum Training der Stuttgart Scorpions – ab da gibt es kein Zurück mehr. „Das hat von Tag eins an gepasst“, erzählt Nick. Von 2011 bis 2019 durchlief er die Jugend der Stuttgart Scorpions, ehe er 2019 zu den Seniors aufstieg, wo er bis 2020 für die Scorpions in der GFL spielte. 2021 dann der Wechsel in die ELF zu Stuttgart Surge. In seinem ersten Jahr wurde er direkt in das Allstar Team der ELF gewählt.

Der Duft von Holz und Verantwortung. Sein sportlicher Höhepunkt? „Das war im Football, für Deutschland aufzulaufen“, sagt er mit leuchtenden Augen. „Gänsehaut pur. Das vergisst du nicht.“ Aber Nick fallen noch andere besondere Erlebnisse in seiner Laufbahn ein. Das Finale der ELF 2023 in Duisburg. Die Surge-Doku „Touchdown“ des SWR mit Nick als Hauptfigur. Vor allem die Freundschaften, die man schließt, und der Zusammenhalt als Team, das sei immer besonders. Dann zeigt er auf den Dachstuhl. „Aber das hier hat auch was. Mein erster Dachstuhl, das war auch ein starkes Gefühl.“

Ein Kollege steigt vorsichtig auf den First, ein anderer reicht ihm eine Latte hoch. Alles wirkt eingespielt, fast wie ein Trainingsdrill. Nick schaut zu, nickt. „Wenn einer nicht aufpasst, wird’s gefährlich – genau wie beim Football. Deshalb: Kommunikation, Rücksicht, Vertrauen.“ Während wir sprechen, sägt unten jemand mit der Akku-Kreissäge einen überstehenden Sparren zurecht. Der Geruch von Fichte liegt in der Luft. Was ihn an Holz fasziniert, frage ich. „Was ist nicht faszinierend an Holz?“, fragt Nick zurück. „Es ist warm, es lebt, es hat Charakter. Und es ist nachhaltig.“ Nick hat früh die Begeisterung für den Werkstoff entwickelt. Besonders beeindruckt ihn die alte Zimmererkunst. „Da ist so viel Wissen, das heute noch gebraucht wird – und das wir heute auch noch anwenden, wenn’s passt“, schwärmt er. „Es macht unglaublich viel Spaß, das selbst zu erlernen.

Präzision statt Perfektionismus. „Ich war nie der Theoretiker, dafür aber schon immer handwerklich begabt“, erzählt Nick. „Meine Mutter hat dann gesagt: ‚Mach doch Zimmermann, das könnte passen‘. Und sie hatte recht – es ist ein mega Beruf.“ Dabei hatte er bis dahin mit dem Holzbau nichts am Hut. Nick hat 2018 seine Ausbildung begonnen, mitten in der Pandemie abgeschlossen – und sich später für eine Weiterbildung zum Bautechniker entschieden. Nicht, weil er das Handwerk hinter sich lassen will. Sondern weil er mehr Verantwortung tragen möchte. „Ich will mich weiterentwickeln – planerisch, organisatorisch. Einfach auch ein bisschen weg von der körperlichen Arbeit, aber trotzdem auf dem Bau bleiben.“ Auf dem Spielfeld wie auf dem Dach zählt jede Bewegung. Perfektion? „Gibt’s nicht“, sagt Nick und lächelt. „Aber Präzision – das ist wichtig. Bei einer Überblattung oder einem Zapfen muss es sitzen.“ Während wir reden, setzt einer der Kollegen eine Schmiege an den Grat. „Viele Sachen lernst du nicht in der Theorie. Die musst du fühlen. Und üben.“

Sein Lieblingswerkzeug? „Die Kreissäge“, sagt er lachend. „Aber ohne die Axt geht’s natürlich auch nicht.“ In der einen Hand den Zollstock, in der anderen das Handy mit dem Spielplan der Surge – Nick lebt beide Welten. Und zwar so, wie es sich für einen echten Allrounder gehört: mit vollem Einsatz. Nick teilt sich seine Zeit auf: 50 Prozent Football, 50 Prozent Zimmerei. Und er schmunzelt: „Eigentlich geb ich 100 Prozent bei beidem. Halbe Sachen sind nicht so mein Ding.“ Wie er das schafft? Nick zuckt mit den Schultern. „Viel Wille. Und weil ich beides liebe.“ Rückhalt bekommt er von seiner Familie und seinen Freunden. Und falls es doch mal eng wird, gibt es noch die Sportpsychologin der Mannschaft. „Bis jetzt passt es aber ganz gut“, sagt er.

Nach oben ist noch Luft. Nick erzählt von besonderen Projekten – Aufstockungen bestehender Häuser, komplizierten Sanierungen. Inzwischen ist die Gaube aufgesetzt. Zwei Kollegen richten die Konstruktion aus, bevor sie fixiert wird. „Wenn du am Ende vom Dach steigst und siehst, was du mit dem Team gebaut hast – das ist stark.“ Auf die Frage nach der Zukunft des Holzbaus muss Nick nicht lange überlegen. „Das Potenzial ist riesig. Ich kann mir gut vorstellen, dass bald auch mehr Großprojekte in Holz realisiert werden – wie die World of Volvo. Schließlich ist das der nachhaltigste Werkstoff, den wir haben.“

Und seine Pläne für die eigene Zukunft? „Schwer zu sagen“, sagt er. „Mit der Weiterbildung hab ich viele Möglichkeiten. Vielleicht mal was Eigenes aufbauen. Momentan will ich einfach Spaß bei der Arbeit und ein cooles Team“, sagt er. Und das klingt gar nicht nach Stillstand – sondern nach jemandem, der genau weiß, was er tut. Und warum.